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Interview

Monika Baer: „In Pieces”

Porträt Monika Baer© Wowe und Monika Baerfür Interview 'in Pieces' mit Franziska Linhardt für Museum Brandhorst

Einleitender Text

Die Künstlerin Monika Baer über besetzte Terrains, Rauschzustände und das Schauspiel Malerei.

 

Gespräch mit Franziska Linhardt

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb.: © Wowe und Monika Baer

Interview

Das Museum Brandhorst feiert seinen zehnten Geburtstag dieses Jahr unter dem Motto „Forever Young“, ein programmatischer Titel, der sich auch selbst hinterfragt. Wie steht’s mit der Malerei? Darf sie immer jung sein und ist der Umgang mit ihr gleich geblieben? 

Als ich in den 1980er-Jahren anfing, Kunst zu studieren, stellte sich für mich die Frage, wie kann Malerei überhaupt Kunst sein beziehungsweise wie kann sie sich außerhalb malereispezifischer Nischen artikulieren? Das hat sich gehalten. Ich sehe mich nicht per definitionem als Malerin, sondern als Künstlerin, die innerhalb der Malerei arbeitet. Sicher haben sich seitdem aber die Umstände und Bedingungen geändert. Das, was damals ein brennendes Thema war, ist aktuell nicht mehr so relevant. Bilder zu malen ist derzeit eine völlig naheliegende Option und scheint nicht mehr durch grundsätzliche Hindernisse verstellt. Die Frage „Malerei, wie soll das gehen?!“ scheint sich wieder – zumindest für eine Zeit – erledigt zu haben.

 

Als Sie damals in Düsseldorf zu malen begonnen haben, galt die Stadt als einer der Hotspots der Malerei, allerdings war die Szene stark geprägt von machomäßigen Herangehensweisen. Hat sich hier etwas geändert?

Auf jeden Fall. Das Kunstfeld ist historisch – besonders in Deutschland – männlich (und weiß) geprägt, und diejenigen, die in diese Kategorie nicht gehörten, wurden ausgeschlossen oder nachträglich „vergessen“. Dieser frustrierende Umstand hat mich von Anfang an befeuert, der Dominanz im Sinne von „Wollen wir doch mal sehen“ entgegenzuwirken. Diese Bevorzugung ist lange nicht überwunden. Und auch wenn heute die bisher Privilegierten aufheulen ob der vermeintlichen Keule der politischen Korrektheit, braucht man sich nur die Statistiken zu dem weit überproportionalen Anteil weißer, männlicher Künstler in großen Sammlungen und in wichtigen Einzelausstellungen anschauen. Zudem erzielen sie durchschnittlich viel höhere Preise für ihre Arbeiten. Und das, obwohl es mittlerweile viel mehr Künstlerinnen gibt, die im Fokus stehen und deren Arbeiten Raum einnehmen, besetzen und dieses Missverhältnis thematisieren. Ein gutes Beispiel dafür sind Jutta Koether, Jana Euler oder Amelie von Wulffen sowie viele andere Künstlerinnen, deren Arbeiten sich jeweils sicher auch aus einer Lust nach einem Gegenschlag nähren. Das hat sich verändert: das Selbstbewusstsein, mit gemalten Bildern bestimmte Terrains zu beanspruchen und sie auch zu verteidigen.

 

In Ihren Serien wird die Leinwand zur Bühne für unterschiedliche Gegenstände, Symbole und Maltechniken. Wer oder was ist hier alles Requisit und wie ist Ihr Verhältnis zu den gemalten Motiven?

Ich habe mich früh entschieden, den Bildern beziehungsweise Bildvorstellungen, die sich mir vorschlagen, zu vertrauen. Ich muss dann herausfinden, was für eine Art Bild es sein soll, weil meistens ja Bildgruppen mit einer gemeinsamen Bild- und Raumlogik entstehen. Ich könnte meine Arbeitsweise vielleicht mit der einer Regisseurin vergleichen, die eben nicht selbst auf der Bühne agiert, sondern den für sie relevanten Stoff von einem Ensemble aufführen lässt. Die Motive in meinen Bildern sind Agenten, die die Handlung tragen, sie stehen nicht bloß für etwas, sondern verkörpern es. Ich muss jedes Mal neu herausfinden, in welcher Form und als was die Dinge und auch die Bilder selbst auftreten. Durch die verschiedenen Bildserien hindurch entwickelt sich also stetig ein zirkulierendes Vokabular weiter. Die Motive – wie Geldscheine, Flaschen, Schlüssellöcher, Spinnennetze, Wurstscheiben, Backsteine und auch das Malerische selbst – treten auf, halten ihre Posen und treten wieder in den Hintergrund. Insofern ist jedes Bild eine Aufführung.

 

Kann dann auch die Farbe ein Protagonist Ihrer Bilder sein? 

Ja, zunehmend, finde ich. Für mich gibt es die roten Bilder, die blauen, die gelben Bilder. Insofern, als eine bestimmte einzelne Farbe oder ein Pigment eine Hauptrolle übernimmt oder selbst Motiv wird. Im Museum Brandhorst hängt ein Bild, in dem ich das erste Mal eine einzelne Farbe selbst, außer Weiß, als narratives Moment, als Akteur benutzt habe. Während in vorherigen Bildern der Himmel gemalt, also beschrieben worden war, ist es in „Ohne Titel“ (2007) das unvermischte blaue Pigment selbst, das als Himmel gelesen wird, vor dem sich Dollarscheine und Straßenmarkierungsstücke formieren.

 

Aber auch das Geld ist hier ein wichtiger Darsteller, oder? Die Geldscheine auf der Leinwand erinnern uns, ganz nebenbei, aber ohne Umschweife, an den Warenwert von Kunst. Gerade die Malerei ist ja von Wertschöpfungsprozessen durchdrungen. 

Klar ist das Motiv des Geldes sehr aufgeladen, aber darum geht es auch. Hier ist das Bild mit der Währung deckungsgleich. Phantasmatisch erspare ich mir den Umweg über ein gemaltes Motiv und mache gleich das Geld. Gleichzeitig zeigt der Hundertdollarschein eine kleine Landschaft – es versteckt sich also eine Landschaftsmalerei im Geld, im Schein, im Bild. Der dritte Protagonist neben der blauen Farbe und dem Bargeld sind die Straßenmarkierungen. Ich hatte über Jahre ausprobiert, ob ein Bild die Mittel zum darauffolgenden, zukünftigen Bild bereitstellen kann und ob ich diesem Prozess folge. Das Motiv Straßenmarkierung kommt wohl deshalb häufiger vor.

 

Im Museum Brandhorst sind erstmals auch Werke aus Ihren späteren Serien „In Pieces“ (2013—2015) und „On Hold“ (2015) ausgestellt, in denen verschiedene geleerte Alkoholika oder einfach nur ein schwereloses Schwarz, ein bildloser Rauschzustand zu sehen sind. Postorgiastische Szenen einer Feier — sind wir in Ihren Bildern zu spät zur Party gekommen?

Das Gemeine an diesen Bildern ist, dass die Party alleine stattfindet, weil – wenn überhaupt – immer nur eine Figur oder ein Gesicht auftaucht. Das ist keine große Orgie, sondern eher ein solitäres Besäufnis. Hier im Sinne von Rausch als Verschränkung von Glückseligkeit und Verelendung. Die Flaschen sind in ihrer Verlockung und ihrem Glanz so realistisch gemalt, weil sie für das einzig Wahre stehen.

 

Der Rausch und Exzess sind mit dem vor allem männlichen Künstlermythos seit jeher verbunden. Ist die skizzierte Person mit Hut der betrunkene Künstler, der aus seinem Rausch erwacht? 

Die Person mit Hut ist sicher eines der vielen möglichen „Ichs“. Natürlich ist die Figur des Künstlerbohemiens mit seinem bestimmten Lebensstil hier ein echter Klischeebonus, den ich freudig ausgeschöpft habe. Ich war aber eben auch an dem Thema Alkoholabhängigkeit interessiert. Ein Ausgangspunkt für die Bilder war eine Zeichnung von James Ensor mit dem Titel „Meine tote Mutter“ (1915). Während in Ensors Fall im Hintergrund die tote Mutter im Bett liegt, der eigentliche Fokus aber auf dem Flaschenstillleben im Vordergrund ruht, geht es in meinen Bildern um das malerisch aufgeladene Feld, in das ein Gesicht eingebettet ist, während vorne, das heißt unten im Bild, die Flaschen aufgereiht nebeneinanderstehen oder -liegen. In dem Bild „In Pieces“ ist es dann wirklich vorbei. Da sind nur noch die Korken und Phantome der Flaschen übrig. Die Leinwand ist hier selbst auch auseinandergeschnitten, gekürzt und wieder zusammengenäht worden. Nach dem Exzess ist sie also „in pieces“, wie ein Filmriss oder ein Scherbenhaufen.

 

Und was steckt dahinter — purer Zynismus oder eine ordentliche Ladung subversiver Humor?

Meine Bilder sind nicht zynisch, allerdings sind sie gegen Idealisierung und Sentimentalität und für Hysterie und Destabilisierung. Für mich ist es wichtig, innerhalb der Grenzen und starken Limitierungen der Malerei zu arbeiten und diese mit jeder Serie aufs Neue auszutesten. Das ist die Logik, die meine Arbeit und alle Bilder, so unterschiedlich und gegensätzlich sie auch wirken mögen, zusammenhält.