Zum Hauptinhalt springen
0
Info
Filmprogramm

Coming Together in Parts

Das Filmprogramm im Medienraum des Museums Brandhorst reagiert auf und erweitert die Themen der Ausstellung „Future Bodies from a Recent Past – Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950er-Jahren" – medial, zeitlich und inhaltlich. Unter dem Titel „Coming Together in Parts“ werden Videoarbeiten von Künstler:innen gezeigt, die sich mit der Wechselwirkung von Körpern und Technologien sowie alternativen Zukunftserzählungen auseinandersetzen. Das Filmprogramm findet in zwei Kapiteln statt.

Kapitel I: Carriers | 2. Juni – 4. September 2022

Jill Magid, Sondra Perry, Jeamin Cha

 

Kapitel II: Hijack the Future | 6. September 2022 – 8. Januar 2023

Sophia Al-Maria, Masha Godovannaya, Yong Xiang Li

 

Kuratiert von Franziska Linhardt

Kapitel I: Carriers

Das erste Kapitel widmet sich Körpern als Bedeutungsträgern und der Frage, wie sich Künstler:innen mit den Repräsentationen von Körpern in digitalen und technologischen Umgebungen auseinandersetzen. Die gezeigten Videoarbeiten von Jill Magid, Sondra Perry und Jeamin Cha nähern sich unterschiedlichen Formen der Entfremdung zwischen Subjekten und ihren Bildern sowie deren Verhältnissen zu Organisationen und institutionellen Strukturen.

Jeamin Cha, Nameless Syndrome, 2022

Filmstill, das zwei Frauen in einem Schwimmbecken zeigt.

Jeamin Chas Essayfilm „Nameless Syndrome“ (2022) verfolgt in fünf Kapiteln nicht diagnostizierbare Krankheiten von Frauen. Dabei thematisiert er die ständige Reduzierung des Selbst durch seine digitalen Bilder und Daten, aber auch durch Institutionen und soziale Systeme. Denn Untersuchungsmöglichkeiten wie die medizinische Bildgebung können das Wesen aktueller körperlicher Leiden aufgrund ihrer symptomatischen und politischen Komplexität nicht erfassen. In der Überlagerung von Bild, Ton und zitierten Textausschnitten hinterfragt Cha den empirischen Wahrheitsanspruch von Wissenschaft und Medizin.

Jill Magid, Lobby 7, 1999

Filmstill, das eine Einganghalle mit Menschen in Rückenansicht zeigt, die auf einen Bildschirm sehen.

Jill Magids „Lobby 7“ (1999) dokumentiert eine Perfomance, die in der Lobby des Massachusetts Institute of Technology (MIT) stattfand. Die Künstlerin kaperte den Informationsbildschirm und unterbrach dessen Programm mit einer eigenen Übertragung: Durch eine Miniaturkamera, die sie unter ihren Kleidern entlangführte, erkundete sie in Echtzeit ihren Körper und filmte die Reaktion der Passant:innen. Magid konfrontiert Überwachungsmechanismen und Kontrolle mit Voyeurismus, persönlicher Intimität und Begehren.

Sondra Perry, It’s in the Game ’17, 2017

Filmstill, dass ein verschwommenes Foto von zwei Menschen zeigt, auf dem einen blaue Figur schwebt

Sondra Perrys Videoarbeit „IT’S IN THE GAME ’17“ (2017) dreht sich um einen digitalen, aber realen Diebstahl. Denn das Bild des Zwillingbruders der Künstlerin – er ist professioneller Basketballspieler – wurde ohne dessen Zustimmung und ohne Kompensation für einen Avatar in einem Videospiel verwendet. Perry vergleicht dies mit der Art und Weise, wie große Museen ihre Sammlungen auf Raubkunst aus kolonialen Kontexten aufgebaut haben. Zwischen Privatem und Öffentlichem, Realem und Virtuellem, Original und Kopie wirft die Arbeit Fragen nach Autor:innenschaft, Identität und kultureller Gerechtigkeit auf.

Kapitel II: Hijack the Future

Das zweite Kapitel führt durch verschiedene scheinbar postapokalyptische Zeiten, in denen nicht menschliche Akteur:innen – eine Wüste, eine Hündin und ein Vampir – die jeweiligen Hauptrollen spielen. Die filmischen Erzählungen von Sophia Al-Maria, Masha Godovannaya und Yong Xiang Li durchkreuzen nicht nur Vorstellungen von Zeit, sondern auch überlieferte Geschichten und Mythen. Sie eröffnen alternative und mehr-als-menschliche Perspektiven auf unser Mit- und Gegeneinander auf diesem Planeten – zwischen Gemeinschaft, Abhängigkeit und Ausbeutung.

Sophia Al-Maria, The Future was Desert Part 1, 2016

In Sophia Al-Marias „The Future was Desert Part 1“ (2016) ist die Wüste gleichzeitig Zeitmaschine und Schauplatz posthumaner Dystopie. Schnell geschnittene Aufnahmen von delirierenden Traumlandschaften werden von einer roboterhaften Stimme begleitet, die eine Zerstörungsgeschichte der Erde durch die Menschen erzählt. Das Video durchquert geologische Zeiträume, lässt planetarische sowie menschliche Vergangenheit und Zukunft kollabieren. Damit thematisiert Al-Maria auch die Spannungen einer komplexen Geopolitik in der persischen Golfregion, wo natürliche Ressourcen wie Erdöl als Schlüssel der Zukunft gelten.

Masha Godovannaya, Laika. The Last Flight, 2017

Masha Godovannayas „Laika. The Last Flight“ (2017) handelt von der Straßenhündin Laika, dem ersten Lebewesen, das erfolgreich in die Erdumlaufbahn geschickt wurde. Sie ist einer der vielen sowjetischen Weltraumhunde, die für die Erkundung des Weltalls mit ihrem Leben bezahlten. Montagen und Manipulationen gefundener Filmaufnahmen der 1950er-Jahre sowie ein Voiceover, ein fiktiver Brief von Laika selbst, verschieben die heroische Erzählung der ersten Kosmonautin. Sie stellen die Hündin als Subjekt und Akteurin vor und verhandeln ihre Perspektive in dem von ambivalenten Ideologien und menschlichem Machtstreben bestimmten Zeitalter der Raumfahrt.

Yong Xiang Li, I’m Not in Love (How to Feed on Humans), 2020

Yong Xiang Lis „I’m Not in Love (How to Feed on Humans)“ (2020) ist eine Kombination zwischen Spielfilm, Liebeskomödie und Musikvideo. Durch kollaborative Herangehensweisen und die Freiheiten von DIY- und Low-Budget-Produktion entstaubt es die negativen Überlieferungen des Vampirismus: Vampy – ein 386 Jahre alter Vampir – flaniert bei helllichtem Tag durch die Stadt. Statt blutrünstiger Transformation verspricht sein Biss Freude und langes Leben. In Vampys symbiotischer und polyamouröser Gemeinschaft mit seinen drei menschlichen Geliebten hinterfragt die Arbeit die Mechanismen des Monster-Werdens und Vorstellungen von Liebe in einer von Hegemonien und Abhängigkeiten geprägten Gegenwart.

Im Rahmen von „Future Bodies from a Recent Past“

Das Filmprogramm ist Teil des Rahmenprogramms der Ausstellung „Future Bodies from a Recent Past – Skulptur, Technologie, Körper seit den 1950er-Jahren.“ Sie macht ein bisher wenig beachtetes Phänomen in der Kunst und insbesondere der Skulptur erlebbar: die wechselseitige Durchdringung von Körper und Technologie.

Zur Ausstellung

Weiterführende Themen