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Pressemitteilung

POP PICTURES PEOPLE

PRESSEMITTEILUNG ZUR PRESSEKONFERENZ AM 29.6.2017 IN MÜNCHEN

Siebdruck eines Portraits von Marilyn Monroe auf goldener, runder Leinwand.
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München, 20.06.2017 - Andy Warhol (1928-1987) ist zurück im Museum Brandhorst. Parallel zu den Einzelausstellungen von Kerstin Brätsch (bis 17. September) und Seth Price (ab 21. Oktober 2017) eröffnet die Ausstellung vertiefende Einblicke in das Erbe der Pop-Art Ikone. „POP PICTURES PEOPLE“ präsentiert rund 60 Exponate und zeigt thematische Gegenüberstellungen von Werken Andy Warhols von den 1960er- bis 1980er-Jahren mit jenen von Künstlerinnen und Künstlern wie Alex Katz (*1927), Cady Noland (*1956) oder Jeff Koons (*1955). Mit diesen Sammlungshighlights und Neuerwerbungen von Michel Auder (*1945), Monika Baer (*1964), Keith Haring (1958 1990), Louise Lawler (*1947), Elaine Sturtevant (1924 2014) und Christopher Wool (*1955), die das erste Mal im Museum Brandhorst zu sehen sind, zeigt die Ausstellung die Relevanz und das Nachwirken der Pop Art von den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart.

 

Den Ausgangspunkt für Andy Warhols Kunst bildeten die in Illustrierten, Zeitungen, Musik und Fernsehen massenhaft reproduzierten Bilder, die im Amerikanischen als „Pictures“ bezeichnet werden. Der Künstler erhob die Durchlässigkeit von Kunst, Kultur und Kommerz in der westlichen Nachkriegsgesellschaft zum Thema und prägte somit den Begriff der Pop Art und die Kunst der Gegenwart wie kein Zweiter.

 

Die Ausstellung setzt mit Warhols im wahrsten Sinne des Wortes ikonischen Siebdruck-Gemälden ein. In „Round Marilyn“ (1962) platzierte er auf goldenem Grund, der in der mittelalterlichen Malerei als Inbegriff des erhabenen und auratischen Bildraumes galt, eine fotografische Reproduktion des archetypischen Popstars Marilyn Monroe. Warhols Konfrontation des Kunstbildunikats, verkörpert durch die Malerei, mit den klischeehaften, sich wiederholenden Bildern von Stars, politischen Unruhen und Werbeanzeigen bilden den Resonanzraum für nachfolgende Generationen von Künstlerinnen und Künstlern.

 

Die Frage nach Individualität und Oberflächlichkeit beispielsweise beschäftigt Alex Katz, einen weiteren Mitbegründer der Pop Art, in seriellen Porträts seiner Frau Ada. Diese Frage steht aber insbesondere auch im Zentrum von Warhols alle Lebensbereiche umfassender Selbstinszenierung. Sein humorvolles Spiel mit der ihn prägenden Kultur kreist um die menschliche Figur. Das abgründige, unausweichliche Maskenspiel der Identitäten bestimmt die Werkserie „Ladies and Gentlemen“ (1975). Auf transparente Folie gedruckte Fotografien von Drag Queens, aufgenommen von Warhol, liegen über Kompositionen aus gerissenen, farbigen Papierstreifen. Diese Collagen-Portraits spiegeln nicht nur pointiert das karnevalesk-groteske Spiel mit Identität der Transvestiten, sondern geben der Zerrissenheit der Popkultur einen Ausdruck.

 

Warhols Atelier, die sagenumwobene „Factory“, war Zentrum des Experiments mit verschieden Identitätsmodellen. Michel Auder hat das exzentrische Warhol-Umfeld, insbesondere die „Stars“ der Szene wie Brigid Berlin und Viva, in den späten 1960er- und frühen 1970er-Jahren mit seiner Kamera begleitet und dabei eine unprätentiöse Hommage an die Freiheit der Pop-Lebensentwürfe geschaffen.

 

Diese Freiheiten gelten in jener Zeit jedoch nicht für alle Bevölkerungsgruppen in den USA. In Warhols „Mustard Race Riot“ (1963) hängt neben einer monochrom senffarbenen Leinwand ein Format gleicher Größe und Farbe, das über und über mit Fotografien afroamerikanischer Bürgerrechtsaktivisten bedruckt ist, die von Polizisten und Hunden attackiert werden. Warhol konfrontiert hier die autonome und selbstreflexive moderne Malerei – der Inbegriff ästhetischer Freiheit, auch verstanden als Überwindung des Alltäglichen – mit explizit politischen Bildern, von denen John F. Kennedy seinerzeit sagte, sie könnten Gräueltaten so viel eloquenter beschreiben als jede Anzahl von Wörtern. Eine Drastik und zugleich Ausdruckskraft, die Bruce Nauman (*1941) als Ziel jeder guten Kunst ansieht. Mit dem Titel seiner großformatiger Papierarbeit „Beating with a Baseball Bat“ (1986) gesprochen: Kunst soll einen wie ein Baseballschlag in den Nacken treffen. Diese Spannung zwischen der freien Kraft der abstrakten Kunst und den weltlichen (politischen) Motiven der visuellen Kultur und ihrer Oberflächen – und Oberflächlichkeiten – zieht sich wie ein roter Faden durch „POP PICTURES PEOPLE“.