Cy Twombly im Museum Brandhorst
SeitDas Museum Brandhorst in München verfügt über eine der umfangreichsten Sammlungen von Werken des US-amerikanischen Künstlers Cy Twombly (1928 – 2011). Ihm ist die Ausstellung im gesamten Obergeschoss des Museums gewidmet. Zu den Highlights des einzigartigen Bestandes zählt neben dem Rosensaal der Lepanto-Zyklus mit einem eigens dafür geschaffenen Raum.
Ausstellungsinfo
Seit
Obergeschoss
Achim Hochdörfer
Über die Ausstellung
Die Ausstellung im Obergeschoss spannt einen umfassenden Bogen von den Frühwerken Cy Twomblys bis zu seinen letzten Arbeiten. Aufgeladene, abstrakte Formen, malerische Gesten und Annäherungen an das Schreiben sind wiederkehrende Motive im Œuvre Twomblys. Die auf zumeist weißen, oft verschmutzt wirkenden Bildgründen aufgetragenen krakeligen Linien lassen dabei an New Yorker Graffiti ebenso denken wie an Inschriften und Einritzungen römischer Ruinen. Diese und weitere Anspielungen auf seine Wahlheimat Italien und die mediterrane Kultur sind als Topoi in seinen Werken zu finden.
Der „Lepanto“-Zyklus
Der monumentale „Lepanto“-Zyklus (2001) ist ein Hauptwerk Cy Twomblys, bestehend aus zwölf Gemälden, die dauerhaft im Lepanto-Saal im Museum Brandhorst ausgestellt werden. Der Saal wurde nach den Wünschen des Künstlers eingerichtet. Ungewöhnliche Farbakkorde in einer breiten Palette von Gelb-, Rot-, Türkis- und Aquamarintönen bestimmen die Dramatik der Bildfolge, die eine der symbolträchtigsten Seeschlachten der Geschichte thematisiert: Am 7. Oktober 1571 besiegte die Heilige Liga, eine Allianz aus spanischen, venezianischen und päpstlichen Truppen die Flotte der Osmanen bei Lepanto (dem heutigen Naupaktos) am Golf von Korinth.
Die Bilder sind in abwechselnder Folge von Einzelmotiven und Serien gestaltet: Das erste, vierte, achte und zwölfte Gemälde erscheinen wie Blicke auf Bootsrümpfe aus der Vogelperspektive, die durch die Farbigkeit zugleich den Eindruck von Flammen oder klaffenden Wunden erwecken. In den drei dazwischenliegenden Sequenzen deutet sich die Dramaturgie einer Schlacht an: Von der gespannten Ruhe vor Beginn der Auseinandersetzung über die Farbexplosionen im Zentrum bis hin zu den rot eingefärbten Tafeln am Ende. Bei Twombly entfällt eine Parteinahme: die Schiffe formen keine gegnerischen Flotten, sie kämpfen und siegen nicht, sie verbrennen nur und versinken in den meerblauen Lasuren.
Der Rosen-Saal
Eigens für den Saal im Museum Brandhorst schuf Cy Twombly 2008 eine Serie aus sechs Malereien mit dem Titel „Untitled (Roses)“. Diese Inszenierung im Raum ist durch die gegenseitige Wirkung und Abstimmung zwischen Architektur und Kunst einzigartig. Die großen Gemälde zeigen eine Reihe von abstrahierten Rosen, die sich aus überlagernden Flächen und Pinselstrichen zusammensetzen. In kräftigen Farbtönen in Rot, Pink, Blau, Gelb und Grün fließen unzählige Schlieren über die Leinwand und bestärken die Kraft und Intensität der Motive malerisch.
Blumen und die Auseinandersetzung mit ihrer kulturhistorischen Bedeutung nehmen im Werk von Cy Twombly eine herausragende Stellung ein. Wie bei vielen seiner Werke hat Twombly auch den Rosen literarische Bezüge beigefügt, die eine kleine „Kulturgeschichte der Rose“ erzählen. Cy Twombly verwendet Gedichte von Rilke, Eliot, Dickinson und Bachmann und spielt dabei auf ganz unterschiedliche Themen wie Erinnerung, Schönheit, Erotik, Einsamkeit, Verletzlichkeit oder Tod an.
„Für mich ist die Vergangenheit die Quelle, denn alle Kunst ist im Wesentlichen zeitgenössisch.“
Cy Twombly in der Sammlung Brandhorst
Nachdem Udo Brandhorst 1967 eine erste Arbeit von Cy Twombly in München erstanden hatte, stand Twombly auch am Beginn und im Zentrum der Sammelleidenschaft des Sammlerpaars: Im Laufe der 1970er-Jahre erwarben sie nach und nach weitere Zeichnungen und Gemälde, seit den späten 1980ern auch Skulpturen. Diese kontinuierlichen Ankäufe versetzen das Museum Brandhorst in die Lage, einen Überblick über Twomblys gesamtes Schaffen, von den 1950er-Jahren bis zu seinen allerletzten Werken, zu bieten. Zwischen dem Paar und Twombly entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die auch dazu führte, dass die Brandhorsts viele seiner Arbeiten bereits in seinem Studio zu sehen bekamen.
Cy Twombly in München
Cy Twomblys Verbundenheit mit der bayerischen Metropole reicht bis in die 1960er-Jahre zurück. Er schätzte das südliche Flair der Stadt, deren Geistes- und Alltagsleben ja bis in die Stadtplanung hinein von einer ausgesprochenen Nähe zur Italianità geprägt ist, die mit derjenigen des bereits 1957 nach Rom übersiedelten Künstlers korrespondierte. Er liebte die Museen, insbesondere die Glyptothek und die Alte Pinakothek, und stellte gerne und häufig seine Kunst in München aus. Neue Werkgruppen waren hier regelmäßig in Galerie-Ausstellungen zu sehen; 1973 fand eine seiner ersten institutionellen Einzelausstellungen im Lenbachhaus statt, und sein monumentaler Lepanto-Zyklus hatte 2002 einen großartigen Auftritt in der Alten Pinakothek. Einzelne Werke Twomblys sind inspiriert von T. S. Elliots „The Waste Land“ – ein Lieblingsgedicht von Twombly, das mit einer Hommage an München einsetzt:
„April ist der grausamste Monat, er treibt Flieder aus toter Erde, er mischt Erinnern und Begehren […]
Sommer überfiel uns, kam über den Starnbergersee
Mit Regenschauer; wir rasteten im Säulengang
Und schritten weiter im Sonnenlicht in den Hofgarten,
Tranken Kaffee und plauderten eine Stunde. […]“
T. S. Elliot, „The Waste Land“, 1922