Jacqueline Humphries: „Ich male ein letztes Bild nach dem anderen“
Einleitender Text
Die Malerin Jacqueline Humphries über fluoreszierende Farben und Schwarzlicht, über Kommunikations-Technologien, Bildschirme, letzte Bilder und Humor.
Gespräch mit Dominikus Müller
Interview
Jacqueline Humphries, wie wird man abstrakte Malerin? Für mich hört sich so eine Entscheidung immer – entschuldigen Sie bitte die Formulierung – recht „abstrakt“ an.
Also, in der Kunsthochschule sperren sie dich mit einem Modell in einen Raum und sagen: Zeichne mal! Davor hatte ich meine Familie gemalt und meine Freunde und plötzlich sollte ich irgendeinen Körper, zu dem ich gar keinen Bezug hatte, festhalten. Das hat für mich nicht funktioniert. Außerdem gab es in New York damals recht viel abstrakte Malerei, die Postminimalisten, Leute wie Brice Marden oder Richard Serra, und das erschien mir einfach wie der logische Weg. Ich habe mich eh nie richtig wohl damit gefühlt, „Dinge“ zu malen. Aber wie auch immer, die richtige Antwort auf Ihre Frage wäre eigentlich: Ich erinnere mich nicht, das ist alles zu lange her. Und ist es nicht eher so: Man fängt an einem bestimmten Zeitpunkt irgendetwas an, und ab da sucht man dann nach immer neuen Gründen, um dabeizubleiben. Das ist doch die eigentliche Herausforderung!
Gut, dann reden wir darüber, wie man weitermacht. Wie sieht das denn in Ihrem Fall aus, das Weitermachen?
Normalerweise arbeite ich in größeren Werkgruppen, in denen es jeweils um ein bestimmtes Thema geht. Und dieses Thema arbeite ich dann durch. Ich male mir sozusagen meinen Weg „heraus“. Und dann sitze ich rum und warte, bis was Neues vorbeikommt. Ziemlich einfach eigentlich. Und es hält mich dabei noch etwas Anderes am Laufen. Im Malereidiskurs gibt es das Konzept des sogenannten „Endgames“: Immer zu versuchen, das letzte Gemälde zu malen, das ultimative, das definitive; das Bild, das alles in sich vereint, um was es in der Malerei bis dahin ging, die Essenz sozusagen, gegossen in eine einfache und überzeugende Komposition. Ich mag daran, dass diese „letzten Bilder“ ständig neue letzte Bilder generieren. Ich male also ein letztes Bild nach dem anderen.
Für Ihre Black Light Paintings, die bei „Forever Young“ im Museum Brandhorst gezeigt werden, verwenden Sie fluoreszierende Farben, sie sind nur unter Schwarzlicht zu sehen. Malen Sie diese Bilder dann auch im Dunklen?
Ich male tatsächlich im Dunklen. Das ist ziemlich seltsam, aber man gewöhnt sich dran. Je mehr fluoreszierende Farbe man auf der Leinwand aufbringt, desto heller wird der Raum. Was dann zum Vorschein kommt, ist in der Tat eine Art Überraschung. Normalerweise verwendet man derartige fluoreszierende Farben aber auch nicht für gestische Abstraktion, sondern beispielsweise in Nachtclubs. Die Idee dazu kam mir, nachdem ich die weltbekannte Rothko Chapel in Houston besucht hatte. Ich finde diese Kapelle wirklich ganz fantastisch, aber ich dachte mir: Wie würden die dort gezeigten Gemälde aussehen, wenn das hier keine Kapelle wäre, sondern ein Nachtclub? Ich wollte nicht zuletzt ein grundlegendes Problem lösen: Wie bringt man die Leute dazu, überhaupt ein Bild anzusehen? Fluoreszierende Farbe war da schon ein ziemlich guter Kniff.
Mir kommen die Black Light Paintings aber auch wie Röntgenbildversionen abstrakt-expressionistischer Gemälde vor.
Ganz klar. Mein Ziel war es auch, die hehre und hochtrabende Kunstattitüde des Abstrakten Expressionismus zu konterkarieren. Die Bilder kombinieren das Vokabular des Abstrakten Expressionismus mit Farben, die eigentlich aus dem Militär und der Popkultur kommen und die im Kunstkontext nicht so ohne weiteres verwendet werden, weil sie nicht standesgemäß sind und als „nieder“ gelten. Ich schmeiße also einfach zwei Sachen zusammen, die nicht zusammengehören – und am Ende kommt dabei etwas komplett Neues heraus. Ich wollte nie tatsächlich abstrakt-expressionistisch malen, sondern die Tropen des Abstrakten Expressionismus verwenden, um das Verhältnis von Malerin und Betrachterin und Betrachter neu zu fassen.
Wie wichtig sind eigentlich die aktuellen technologischen Bedingungen für Ihre Arbeit, die Tatsache beispielweise, dass wir uns zur Welt vor allem durch Bildschirme in Bezug setzen? Und wo steht die abstrakte Malerei diesbezüglich?
Der Anstoß zu einem Großteil meiner Arbeiten der letzten Jahre kam eigentlich davon, dass ich im Atelier saß und auf mein Telefon starrte, prokrastinierend, SMS und Emails schreibend. Irgendwann kam mir dabei der Gedanke: Ich habe jetzt so viele Jahre in New York verbracht, habe Freunde gefunden, habe Bilder gemalt. Und alles, was am Ende übrigbleibt, ist diese dämliche Tastatur? Tatsächlich beschränkten sich meine Beziehungen hauptsächlich auf die Interaktion mit einer Tastatur. Ich begann dann damit, in einige meiner Bilder Emoticons zu integrieren und so zu versuchen, mich dem Thema Abstraktion aus der Perspektive der Kommunikation noch einmal neu zu nähern. Emoticons sind wirklich super! Ich kann meinen Bildern jetzt ein Gefühl mit auf den Weg geben, einfach nur durch die Verwendung eines bestimmten Emoticons. Die Gemälde haben jetzt eigene Gefühle!
Welche Malerei schauen Sie sich denn selbst gerade gerne an?
Ich lande immer wieder bei Manet. Wahrscheinlich ist er am Ende der Grund, warum ich Malerin wurde. Ich bin fast schon besessen von seinen letzten Bildern – sehen Sie, schon wieder die letzten! Überwältigende, wunderschöne, aber ganz einfache kleine Blumenbilder. Manet lag im Sterben und die Freunde, die ihn besuchten, brachten ihm diese kleinen Blumensträuße mit. Und die malte er dann einfach. Man sieht nichts weiter als Blumen, und doch sind diese Bilder getränkt von der urbanen Atmosphäre des damaligen Paris. Zumindest meine ich das zu spüren. Wie kann ein kleiner Veilchenstrauß all das aufrufen: Paris, die Industrialisierung, die Bourgeoise? Ich kann mich an diesen Bildern einfach nicht sattsehen. Sie erneuern meinen Glauben an die Malerei.
Muss man eigentlich Humor haben, um eine gute abstrakte Malerin zu sein?
Natürlich muss man erst einmal Spaß daran haben, was man macht. Abstrakte Malerei ist aber auch ein gutes Ventil für meine zynische Seite. Meiner Meinung nach sind die Black Light Paintings auf eine Art einfach lächerlich – zumindest hoffe ich das! Ich kann dieses Gefühl dann auch nehmen und auf mich selbst zurückwenden: eine „abstrakte Malerin“, die „gigantische abstrakte Gemälde“ malt. Come on! Besonders in der letzten Zeit empfinde ich meine Bilder als ziemlich selbstironisch. Vielleicht hat das einfach mit dem Älterwerden zu tun. Denn auf eine Art ist es ziemlich absurd, immer so weiterzumachen, wirklich! Am Ende liegt einfach eine gewisse Komik darin, etwas zu fertigen, nachdem niemand gefragt hat.