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Ausstellung

Creating Realities. Begegnungen zwischen Kunst und Kino. Kapitel 4: „Grosse Fatigue“ von Camille Henrot

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Ausstellung 'Creating Realities. Begegnungen zwischen Kunst und Kino. Kapitel 4: „Grosse Fatigue“ von Camille Henrot' in den Medienräumen des Museum Brandhorst

Im Rahmen der Ausstellung „Creating Realities. Begegnungen zwischen Kunst und Kino“ werden in den Medienräumen des Museums Brandhorst Video-Arbeiten von Camille Henrot (*1978 in Paris) gezeigt.

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Über die Ausstellung

Im Rahmen der Ausstellung „Creating Realities. Begegnungen zwischen Kunst und Kino“ werden in den Medienräumen des Museums Brandhorst Video-Arbeiten von Camille Henrot (*1978 in Paris) gezeigt.

In „Grosse Fatigue“ (2013) erzählt Camille Henrot ihre eigene Version der Geschichte des Universums. Zu Beginn des Videos blickt man auf einen Computerdesktop, dessen Hintergrundbild die Aufnahme einer Galaxie zeigt. Der auf dem Desktop abgelegte Ordner „Grosse Fatigue“ wird geöffnet, und sogleich entspinnt sich eine schnelle und rhythmische Erzählung vom Anfang der Welt, die Henrot gemeinsam mit dem amerikanischen Dichter Jacob Bromberg verfasst hat: „Am Anfang war keine Erde, kein Wasser – nichts. Es war ein einzelner Berg genannt Nunne Chaha. Am Anfang war alles tot. Am Anfang war nichts, überhaupt nichts. Kein Licht, kein Leben, keine Bewegung, kein Atem. Am Anfang war eine immense Einheit von Energie. Am Anfang war nichts als Schatten und nur Dunkelheit und Wasser und der große Gott Bumba. Am Anfang waren Quantenfluktuationen.“ Für den Text haben sie Ursprungsmythologien verschiedener Kulturkreise – von den Sioux- und Navajo-Indianern, über den Shinto-Buddhismus, bis hin zu islamischen und jüdischen Schöpfungsmythen – kombiniert und in eine Art „schizophrenen Diskurs“ (Henrot) verwandelt.
Auf dem Computerbildschirm öffnen sich in rascher Abfolge immer neue Fenster: Man sieht Archivmaterial zur Entstehung des Universums, zur Evolution des Menschen, anthropologische und biologische Artefakte, aber auch von der Künstlerin selbst geschaffene Bebilderungen der Erzählung. Daneben sind Aufnahmen zu sehen, die Henrot im Rahmen eines Stipendiums an der Smithsonian Institution in Washington gemacht hat. Dieser weltweit größte Museums- und Forschungskomplex wurde 1846 mit dem Auftrag gegründet, zur Verbreitung und Vermehrung von Wissen beizutragen. Indem Henrot den Computerdesktop als zentrales Vehikel für den Zugang zu Informationen präsentiert, zeigt sie, wie fundamental sich Wissensproduktion und -vermittlung im Laufe der letzten 50 Jahre geändert haben. Während früher Informationen vor allem in Archiven, Museen oder Bibliotheken zugänglich waren, ist heute jeder Wissensbereich scheinbar nur einen Mausklick entfernt. Camille Henrot greift für „Grosse Fatigue“ auf kanonische Instanzen – und damit verschiedene Modelle der Wissensproduktion – zurück: Mythologisch-religiöse, wissenschaftliche und technologische Sprache und Narrative werden vermischt zu einer großen Urgeschichte der Welt – unter Zuhilfenahme eines Mediums des 21. Jahrhunderts.

In der Sichtbarmachung des zentralen Vehikels digitaler Bildrezeption und -produktion kommt „Grosse Fatigue“ eine Schlüsselrolle innerhalb aktueller Videoproduktionen zu. Dieses enzyklopädische Projekt wurde auf der Venedig Biennale 2013 mit dem Silbernen Löwen prämiert.

„Million Dollar Point“ ist der Name eines Taucherparadieses im Südosten der Insel Espiritu Santo, die zum südpazifischen Inselstaat Vanuatu zählt. Diese Insel wurde im Zweiten Weltkrieg als US-amerikanische Militärbasis genutzt. Nach Kriegsende wollten die Inselbewohner dem amerikanischen Militär seine Ausstattung abkaufen – für die titelgebenden „Million Dollar“. Dies wurde jedoch von den englischen und französischen Kolonialherren, die die Region unter dem Namen „Neue Hebriden“ seit 1906 gemeinsam verwalteten, aus Angst vor einem bewaffneten Aufstand abgelehnt. Stattdessen versenkte man Lastwagen, Kanonen, Panzer und weiteres Kriegsmaterial vor der Küste. Der enorme Unterwasserfriedhof ist heute eine der Hauptattraktionen für Taucher. In ihrem Video „Million Dollar Point“ (2011) stellt Camille Henrot Aufnahmen dieser Unterwasserwelt Bildern eines Musikvideoclips gegenüber, den sie von einem Fernsehgerät abgefilmt hat. Zu sehen ist darin ein Franzose, der – umgeben von einer Gruppe Polynesierinnen – am Strand singt und tanzt. Auf den ersten Blick stehen diese von der makellosen Schönheit der Tänzerinnen und von klischeehaften Vorstellungen von Exotik bestimmten Bilder, in deutlichem Kontrast zu den Unterwasseraufnahmen, die von der militärischen Vergangenheit erzählen. Gleichzeitig handelt es sich bei den Aufnahmen aus dem Musikvideo um eine Art Reinszenierung der kolonialen Machtbeziehung zwischen europäischen Eroberern und lokaler Bevölkerung. Beide historischen Gegebenheiten scheinen gleichermaßen verdrängt zu werden – was sich nicht zuletzt in den Bewegungen der Tänzerinnen spiegelt: Sie verdecken ihre Gesichter, als weigerten sie sich, den Lauf der Geschichte anzuerkennen, und imitieren mit ihren Händen das Kommen und Gehen der Wellen, die den Meeresgrund vor ihren Blicken verstecken.

Eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne und im Museum Brandhorst in Kooperation mit der Sammlung Goetz und KINO DER KUNST

Kapitel 1: A Question of Silence | 05.02.-31.05.2015 | Pinakothek der Moderne
Arbeiten von Ulla von Brandenburg (D), Sven Johne (D), Jesper Just (DK), SamTaylor-Wood (UK), Yang Fudong (CHN)

Kapitel 2: L’Ellipse | 10.03.-31.05.2015 | Pinakothek der Moderne
Arbeiten von Keren Cytter (IL), Omer Fast (IL), John Gerrard (IRL), Pierre Huyghe (F), Philipp Lachenmann (D), Clement Page (UK)

Kapitel 3: Neighbour’s Yard | 16.04.-31.05.2015 | Pinakothek der Moderne
Arbeiten von Ed Atkins (UK), Brice Dellsperger (F), Bjørn Melhus (D), RyanTrecartin (USA), Andro Wekua (GE)

Kapitel 4: Grosse Fatigue | 16.04.-31.05.2015 | Museum Brandhorst
Arbeiten von Camille Henrot (F)